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Ausgerechnet die Modernisierungsmaßnahmen in der schnell wachsenden Wirtschafts- und Verwaltungsmetropole Jimma gefährden derzeit den Erfolg des von kinder unserer welt unterstützten Straßenkinderprojektes. Mehr denn je sind unsere Partner vor Ort auf unsere Unterstützung angewiesen, um ihre Arbeit fortzusetzen.

Das Projekt

Seit 2003 unterstützt kinder unserer welt das Straßenkinderprojekt unserer äthiopischen Partnerorganisation „Facilitator for Change“ in Jimma. Über 2000 Kinder und Jugendliche wurden seitdem betreut, konnten in ihre Familien zurückgebracht oder auf ein Leben in Selbstständigkeit vorbereitet werden.

Jahr für Jahr werden etwa 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Aba Jifar Training Center (AJTC) des Projektes ausgebildet, die jungen Menschen werden dort psychosozial betreut und erhalten für die Dauer der Projektteilnahme Unterkunft und Verpflegung. Zugleich halten die Sozialarbeiter des Projektes durch aufsuchende Sozialarbeit Kontakt zu Kindern und Jugendlichen, die weiterhin auf der Straße leben.

Veränderungen

Im Frühjahr 2024 beschloss die äthiopische Regierung, Jimma sowie andere große Städte des Landes zu modernisieren. In Jimma wurde in diesem Zuge ein breiter Straßenkorridor von der Innenstadt zum Flughafen gebaut. Die Häuser entlang der alten Straßen wurden abgerissen, Menschen verloren ihre Wohnungen, wurden obdachlos oder umgesiedelt, Werkstätten, Läden und Cafés wurden zerstört und mit ihnen das soziale Gefüge der Umgebung. Betroffen war auch das Aba Jifar Training Center, das Zentrum des Straßenkinderprojekts.

Zeitgleich führt die rasant steigende Inflation in Äthiopien auch in Jimma und Umgebung zu wachsender Armut. Immer mehr Kinder und Jugendliche, vor allem aber immer mehr Mädchen leben auf der Straße und leiden dort unter Hunger, Kälte, Gewalt und Perspektivlosigkeit.

Neuanfang

Dank guter Beziehungen unseres Projektpartners konnte das AJTC in leerstehende Gebäude am Stadtrand umgesiedelt werden. Alle Werkstätten wurden wieder errichtet, doch bedarf es umfangreicher Sanierungsarbeiten, um das neue Zentrum dauerhaft erfolgreich betreiben zu können: Die Werkstätten erfüllen nicht durchgehend erforderliche Sicherheitsstandards, die Toiletten funktionieren nur eingeschränkt, die Bausubstanz ist angegriffen, Stromanschlüsse müssen verlegt werden.

Trotz aller Schwierigkeiten werden auch 2024/25 wieder 75 Kinder und Jugendliche in dem Projekt betreut und ausgebildet.

Probleme und Ausblick

Mit unermüdlichem Einsatz der Mitarbeiter des Straßenkinderprojekts gelingt es weiterhin erfolgreich, Straßenkinder in ihre Familien zurückzuführen. Rückschläge gibt es derzeit vor allem bei der Überführung der Projektteilnehmer in die wirtschaftliche Selbstständigkeit, da Werkstätten und Läden entschädigungslos zerstört wurden und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage nicht in Sicht ist.

Künftig sollen verstärkt obdachlose Mädchen in das Projekt aufgenommen werden. Das Ausbildungsangebot soll durch einen Lehrgarten und eine Hühnerzucht erweitert werden.

kinder unserer welt unterstützt weiterhin die unermüdliche Arbeit unserer Projektpartner vor Ort. Eine Erhöhung des Budgets ist derzeit jedoch nicht möglich, denn auch in den anderen kinder unserer welt-Projekten verschlechtern sich die humanitären, sozialen und wirtschaftlichen Lebensumstände für Mütter und Kinder und die finanziellen Bedarfe sind hoch. Mittels einer Spendenkampagne sammeln wir Sonderspenden für die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen und die Ausstattung der Werkstätten im AJTC und wir sind dankbar für jede Unterstützung.

Rückblick auf das Jahr 2014: Zwanzig Jahre nach der Gründung im Jahr 1994 wurde das gemeinsam von der äthiopischen Organisation REST und kinder unserer welt aufgebaute und betriebene Mutter- und Kind-Gesundheitszentrum in Shire/Endaselassie an die tigrinische Stadt übergeben. Die erfolgreiche Arbeit des Zentrums konnte seitdem auch ohne finanzielle Unterstützung von kinder unserer welt fortgeführt werden. Die freigewordenen Kapazitäten wurden zum Aufbau eines Gesundheitszentrums in Korarit in der Western Zone Tigrays genutzt.

Doch ist die gesamte Western Zone Tigrays seit dem äthiopischen Bürgerkrieg 2020 – 2022 besetzt. Unzählige Menschen wurden Opfer von Gewalt, das neue medizinische Zentrum ist zerstört, einige Mitarbeiter konnten sich mit mehreren hunderttausend Vertriebenen nach Shire durchschlagen.

Aber auch in Shire wurden alle Gesundheitseinrichtungen beschädigt. Während die 100.000-Einwohnerstadt aktuell 275.000 Flüchtlinge beherbergen muss, gibt es keine staatliche Unterstützung für die Wiederherstellung zerstörter medizinischer Infrastruktur.

In den Flüchtlingslagern herrschen katastrophale hygienische Verhältnisse. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medizin ist völlig unzureichend. Menschen sterben an Hunger und Cholera.

Die Wiederaufnahme der medizinischen Versorgung unter diesen widrigen Bedingungen ist eine Herausforderung. Dank der langjährigen Zusammenarbeit von REST und kinder unserer welt konnte in Shire bereits vor drei Jahren die medizinische Versorgung von Schwangeren, Neugeborenen und Kindern unter fünf Jahren wieder aufgenommen werden. Die Gesundheitsfürsorge umfasst Untersuchungen, Behandlungen, Geburtsbegleitung einschließlich Vor- und Nachsorge, Bekämpfung von Unterernährung und Impfungen. Zugleich werden Schulungen weiterer Gesundheitsbediensteter finanziert. Besonders kostenintensiv ist die Beschaffung von Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung.

Es ist erschütternd zu sehen, in welch kurzer Zeit der Krieg wichtige Infrastruktur zerstört hat und unendliches Leid unter den Menschen anrichtete. Bewundernswert sind Energie und Tatkraft, mit der das medizinische Personal in Shire seine Arbeit leistet. Wenn auch vieles zerstört wurde, so bewährt sich gerade in dieser Krisenzeit die vertrauensvolle Zusammenarbeit von kinder unserer welt mit der äthiopischen Partnerorganisation REST.

Wir hoffen, dass eines Tages auch das Gesundheitszentrum in Korarit wiederbelebt werden kann.

Straßenkinderprojekt in Jimma

Ajele*) hat es geschafft: Er arbeitet halbtags in einer Holz- und Metallfirma und finanziert von dem Erlös nicht nur Unterkunft und Lebensmittel für sich und seine kranke Mutter, von dem Geld kann Ajele auch wieder Schulmaterialien kaufen. Das war nicht immer so: Gelegenheitsarbeiten auf der Straße reichten nicht, um sich und seine Mutter zu ernähren. Heute ist Ajele zuversichtlich, in einigen Jahren eine eigene Holzwerkstatt betreiben zu können.

Ajele ist einer von 75 jungen Äthiopiern zwischen sieben und 18 Jahren, die jährlich von dem Straßenkinderprojekt SCYP (Street Children and Youths Project) in Jimma betreut und fortgebildet werden. Ziel des Projektes ist es, den Kindern und Jugendlichen mittelfristig ein eigenständiges Leben jenseits der Straße zu ermöglichen.

Die für das Projekt ausgewählten Jungen und Mädchen durchlaufen ein dreimonatiges Programm mit folgenden Schwerpunkten:

  • Versorgung der obdachlosen Kinder und Jugendlichen mit Kleidung, Decken und Matratzen
  • Unterbringung dieser Kinder und Jugendlichen in Übergangsfamilien oder einer Gruppenunterkunft
  • Medizinische Versorgung und psychologische Beratung
  • Life-skill-Training
  • Beratung und Unterstützung der Herkunftsfamilien
  • Kurzausbildung in den Bereichen Friseur und Beautysalon, Holzwerkstatt, Handarbeit und Umgang mit der Nähmaschine sowie Hauswirtschaft/Food Preparation.
  • Startgeld für den Übergang in die Selbstständigkeit.
  • Follow up: Begleitung der Kinder und Jugendlichen in der ersten Phase ihrer Reintegration.

Die Warteliste für die Teilnahme an dem Projekt ist lang. Mittelfristig sollen auch eigene Einrichtungen, so das vor einigen Jahren gegründete ‚Hibret Café‘ einen nennenswerten Beitrag zur Finanzierung des Projekts leisten. Doch vorerst ist das Straßenkinderprojekt weiter auf die Unterstützung von kinder unserer welt angewiesen.

*) Name geändert

100.000 tigrinische Frauen und Mädchen wurden, einer Untersuchung der Universität Kalifornien zufolge, in den Kriegsjahren 2020 bis 2022 Opfer schwerster sexueller Gewalt. Gleichzeitig zerstörte der Krieg das von kinder unserer welt finanzierte Ausbildungszentrum für Mädchen und Frauen in Endaselassie/Shire.

Unsere tigrinische Partnerorganisation Women’s Association of Tigray hat nun ein Trainingsprogramm für schwer kriegsgeschädigte und traumatisierte Mütter und Mädchen entwickelt. Dank der finanziellen Unterstützung von kinder unserer welt werden zunächst 100 Teilnehmerinnen von einem psychosozialen Trainingsprogramm profitieren und von den Ausbildungstrainern des Vocational Training Centers zu Kleinhändlerinnen, Schafs- oder Ziegenzüchterinnen fortgebildet. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung erhalten sie ein kleines Startkapital für ihren Einstieg in die Erwerbsarbeit. Ein kleiner Lichtblick nach zwei Jahren Krieg, in dem sie alles verloren haben.

kinder unserer welt freut sich, dass die erfolgreiche Arbeit des Ausbildungsprojekts, wenn auch zunächst in geringerem Umfang, fortgesetzt werden kann.